Gang im Schnee
Nun rieseln weiße Flocken unsre Schritte ein.
Der Weidenstrich läßt fröstelnd letzte Farben sinken,
das Dunkel steigt vom Fluß, um den versprengte Lichter blinken,
mit Schnee und bleicher Stille weht die Nacht herein.
Nun ist in samtnen Teppichen das Land verhüllt,
und unsre Worte tasten auf und schwanken nieder
wie junge Vögel mit verängstetem Gefieder –
die Ebene ist grenzenlos mit Dämmerung gefüllt.
Um graue Wolkenbündel blüht ein schwacher Schein,
er leuchtet unserm Pfad in nachtverhängte Weite,
dein Schritt ist wie ein fremder Traum an meiner Seite –
nun rieseln weiße Flocken unsre Sehnsucht ein.
( Ernst Maria Richard Stadler, 1883 – 1914, deutscher Schriftsteller, Wegbereiter expressionistischer Lyrik und Übersetzer u.a. französischer Literatur)
Hallo, ihr lieben Leser alle vom Grafschafter Wochenanzeiger, da liegt sie wieder vor euch auf dem sonntäglichen Frühstückstisch, unsere Sonntagsausgabe, die wir bei unserer freitäglichen Redaktionssitzung erstellt haben. Es herrschte mal wieder ein bissel Ratlosigkeit, was wir euch schönes präsentieren sollten, die Woche war von wenig Neuem geprägt, das Wetter war so unsäglich grau und eintönig mit seinem tröpfelnden oder strömenden Regen, mit seinem nebelverhangenen Grau, und mit damit einhergehender usseliger Kälte, das drückte mal wieder reichlich aufs Gemüt, aber wir wären ja nicht euer grafschaftliches Redaktionsteam, wenn uns zu Gemüts- und Wetterlage nichts aufmunterndes einfallen würde.
Haben wir also erst einmal in der Redaktion unseren Kamin angezündet,
die spielenden Flammen über den Holzscheiten haben immer was inspierendes, Heißgetränke für die Redaktionsmitglieder aus dem neuen, feinen Kaffee-Center ☕☕☕☕☕☕ und Leckerli 🍩🍪🍩🍪🍩🍪 sorgten für Behaglichkeit , und beim gemeinschaftlichen siniigen Betrachten der Idylle meinten meine Bärchen ganz verträumt, sie würden sich gerade an die schöne Vorlesestunde aus dem letztjährigen Adventskalender erinnern, Märchenstunde am Kamin, da könnte man doch vielleicht mal wieder was mit machen? Oooh, ja, das ist eine gute Idee, meine Bärchen, damals hatten wir das Märchen „Die Sterntaler“ beim Wickel, was würde sich denn heuer anbieten? Ruddi guckte aus dem Fenster auf den Regengraus und meinte „Frau Cheffin, du wünschst dir doch nun schon seit über zwei Monaten so sehr Schnee in unserer Grafschaft und wir alle natürlich auch, gibt es da ein Märchen, das passen würde?“ Und dann redeten alle wieder wild durcheinander, weil sie überlegten, wo in Märchen Schnee eine Rolle spielt und natürlich ist mein findiges Redaktionsteam gemeinsam auf die Lösung gekommen: Frau Holle! ☁🛏🌨❄❄❄
Dann macht es euch gemütlich, mein Bärenteam kuschelt sich vor unseren Kamin mit den Märchenbüchern parat gestellt,
und hört und guckt euch das Märchen von Frau Holle an, unser Sehnsuchtsmärchen nach Schnee, 🤭❄😊
👓📗📖🕯
Frau Holle, ein Märchen von den Gebrüdern Grimm:
( „Frau Holle“, Illustration aus „Deutsche Märchen“, Paul Hey)
ine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen und mußte so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, dass sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.“
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
a ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte; und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken.“ Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel, und rief ihm zu: „Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.“ Da schüttelte es den Baum, daß die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen.
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
ie alte Frau aber rief ihm nach: „Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir’s gut gehen. Du mußt nur achtgeben, daß du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.“ Weil die Alte ihm so gut zusprach, so faßte sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig, auf daß die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes.
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
un war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wußte anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, daß es Heimweh war; ob es ihm hier gleich vieltausendmal besser ging als zu Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr: „Ich habe den Jammer nach Haus gekriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muß wieder hinauf zu den Meinigen.“
ie Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, daß du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.“ Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so daß es über und über davon bedeckt war.
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
as sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist,“ sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus; und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief:
„Kikeriki,
unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.“
a ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen.
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
as Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der anderen, häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie mußte sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß sich die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.“
ie Faule aber antwortete: „Da hätt ich Lust, mich schmutzig zu machen,“ und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.“ Sie antwortete aber: „Du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,“ und ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich’s gebührte, und schüttelte es nicht, daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung deiner Dienste,“ sagte die Frau Holle und schloß das Tor zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief:
(Illustration Otto Kubel, 1868 – 1951)
„Kikeriki,
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.“
as Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.
Die Bärchen haben gespannt zugehört, und wir hoffen, auch ihr und es hat euch Freude gemacht! Nachdem das Märchen aus war, meinte Ruddi, nun wäre ihm auch klar, warum es nicht geschneit habe bisher in der Grafschaft, da wäre wohl gerade mal wieder die Faule bei der Frau Holle beschäftigt gewesen, tja, wo er recht hat, unser Ruddi! Und wir hatten dann gleich alle eine gute Idee, wir haben uns unseren Terminkalender geangelt 📓 und für den Monat November 2023 eine Notiz gemacht, „Eildepesche an Frau Holle, himmlisches Gefilde, Schneewolkenstraße, Bestellung von Schnee für die Grafschaft Lirich, Redaktion Grafschafter Wochenanzeiger, Eulennest, von November 2023 bis Ende Februar 2024, wir bitten um prompte Lieferung durch die Tätigkeit der Goldmarie! Faules Personal ist unverzüglich zu entlassen.“
Und wo wir schon mal bei fleißig sind, da hätten wir doch auch noch was aus unseren Redaktionsräumen, paßt irgendwie jetzt prima zu fleißig und faul bei „Frau Holle“, wir waren ja in der zurückliegenden Woche hier nicht gänzlich untätig, die Frau Chefredakteurin hatte bei der Auf- und Umräumaktion fürs neue Kaffeecenter nämlich etwas wiedergefunden, dessen ursprüngliche Bestimmung hier keinem mehr gegenwärtig ist, aber das wir nun einer feinen, neuen Bestimmung zugeführt haben: Es steht auch noch eine Umräumaktion in der Diele der Redaktionsräume an, und wir haben schon mal für eine neue Garderobe samt Hutablage gesorgt, das nennt man Nachhaltigkeit, wenn Dinge zum weiterleben zweckentfremdet werden, 🤭😊 wie gesagt, der Ursprungszweck, da können wir nur die Schultern zucken, aber der neue gefällt uns sehr! Euch auch? Guckt:
Da, wo das Schränkchen noch steht, soll eine Truhe hin, das dauert aber alles noch bissel.
Viel Platz für Schals, Mäntel und Jacken und oben drauf
Mein schicker Hochzeitshut, erinnert ihr euch? Wo bleibt bloß die Zeit, die Kinder feiern dieses Jahr schon ihren 5. Hochzeitstag!
Und nun schwelgen wir noch ein bissel in schönen Schnee-Landschaftsbildern, irgendwie muß die Frau Chefredakteurin ja ihre Sehnsucht stillen!
Ist das nicht herrlich romantisch?
Vielleicht schafft es Frau Holle ja diesjährig doch nochmal mit wenigstens bissel weiß für uns, ansonsten setzen wir dann voll aufs Ende diesen Jahres oder aufs nächste Jahr!
Euch allen wünschen wir einen zauberhaft-schönen Sonntag, wir senden euch allen liebe Grüße und für alle traurigen und bedrückten unter uns tröstende Lichtstrahlen, bleibt oder werdet gesund, paßt alle gut auf euch auf, für alle, die den Schnee nicht so mögen und sich schon auf den Frühling freuen: Wir auch bald wieder, und dann kommen auch wieder feine Frühlingsbilder, verzeiht, wenn wir hier noch schwelgen! 🤭😊❤ Habt also alle einen schönen, entspannten und gemütlichen Sonntag und startet gut wieder in die neue Woche, das wünscht euch von ganzem Herzen euer Redaktionsteam vom Grafschafter Wochenanzeiger mit Mimi in heaven