Trutz, blanke Hans
Heute bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, Blanke Hans!
Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
liegen die friesischen Inseln im Frieden,
und Zeugen weltenvernichtender Wut,
taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, Blanke Hans!
Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen
und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, Blanke Hans!
Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tiefer Atem ein
und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, Blanke Hans!
Rungholt ist reich und wird immer reicher,
kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom
staut hier alltäglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
Trutz, Blanke Hans!
Auf allen Märkten, auf allen Gassen
lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich:
„Wir trutzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich !“
Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, Blanke Hans!
Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen,
der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
belächelt den protzigen Rungholter Wahn.
Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen
das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen
Trutz, Blanke Hans!
Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich, wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
das Scheusal wälzte sich, atmete tief
und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, Blanke Hans!
Ein einziger Schrei- die Stadt ist versunken,
und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch.—
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans!
(Detlev von Liliencron)
Wieder mal so ein Vergnügen für mich, hihihi, ich sehe die Fragezeichen in euren Augen???! Ein Gedicht über Rungholt, eine Girlande vom Meer, eingerahmt mit winterlichem Dekor, und der Titelsatz „Es klingt wie eine Sage…“, wo führt das denn hin?
Ergänzen wir erst einmal den Titel: „Es klingt wie eine Sage (wie die von Rungholt, Anm. d. Red.)…..“ es ist aber keine!!! Es ist nämlich keine Sage, sondern die pure Wirklichkeit:
ICH FAHR MIT MEINER FREUNDIN UND IHREM MANN WIEDER NACH
Heute, am Samstag, den 24. Februar, wenn ihr hier lest, bin ich schon unterwegs, freu, freu!!! Ich wollte schon immer so gerne mal im Winter ans Meer, nun wird auch der Traum Wirklichkeit, und so erklärt sich auch die winterliche Girlande um das Titelbild vom Meer!
Denn wir müssen doch unbedingt die Gummistiefel meiner Freundin umtauschen, die ihr doch letztlich dann doch nicht gefielen und die ja jetzt auch viel zu kalt sind zum anziehen,
ich lach mich kaputt!
Und beim überlegen, was ich euch denn als Wochenend-Lektüre hier im Blögchen außer der Mitteilung meiner Fahrt präsentieren könnte, kam mir die Idee mit der Sage von Rungholt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rungholt
https://www.rungholt-ausstellung-husum.de/rungholt/fakten/
Inspiriert natürlich von meinem Lieblingsdichter Theodor Storm, der im letzten Link auch erwähnt wird, er behandelte das Thema Rungholt in seiner Novelle „Eine Halligfahrt“.
„Der Schiffer, der mit beiden Armen über Bord lehnte, wandte sein wetterbraunes Gesicht der Dame zu; aber nachdem er sie wie in mitleidiger Verachtung einige Sekunden gemustert hatte, starrte er wieder schweigend ins Meer hinaus.
»Sie müssen dorthin blicken«, sagte ich, »wo nach Senekas Ausspruch alle Erdendinge am sichersten verwahrt sind!«
»Und wo wäre das, mein Lieber?«
»In der Vergangenheit – in diesem sicheren Lande liegt auch Rungholt. Einst zu König Abels Zeiten, und auch später noch, stand es oben im Sonnenlichte mit seinen stattlichen Giebelhäusern, seinen Türmen und Mühlen. Auf allen Meeren schwammen die Schiffe von Rungholt und trugen die Schätze aller Weltteile in die Heimat; wenn die Glocken zur Messe läuteten, füllten sich Markt und Straßen mit blonden Frauen und Mädchen, die in seidenen Gewändern in die Kirche rauschten; zur Zeit der Äquinoktialstürme stiegen die Männer, wenn sie von ihren Gelagen heimkehrten, vorerst noch einmal auf ihre hohen Deiche, hielten die Hände in den Taschen und riefen hohnlachend auf die anbrüllende See hinab: ›Trotz nu, blanke Hans!‹ Aber das rotwangige Heidentum, das hier noch in uns allen spukt –«
»Ich bitte doch, mich freundlich auszunehmen!« schob die Geheimrätin mit etwas strammem Lächeln dazwischen.
Ich verbeugte mich zustimmend. »Es bäumte sich noch einmal auf gegen den blassen aufgedrungenen Christengott; die Männer von Rungholt – so wenigstens haben es die geistlichen Chronisten aufgeschrieben – beriefen eines Tages einen Priester und hießen ihn einer kranken Sau das Abendmahl geben. Da ergrimmte der Herr und ließ wie zu Noä Zeiten seine Wasser steigen; und über die Deiche und Mühlen und Türme schwollen sie; und Rungholt mit seinen blonden Frauen und seinen trotzigen Männern« – und ich wies mit dem Finger rückwärts, wo noch vom Kiel unsers Schiffes das Wasser in der Sonne strudelte –, »dort steht es unten, unsichtbar und verschollen auf dem Boden des Meeres. Nur zuzeiten bei hellem Wetter, wenn in der einsamen Mittagsstunde die Wimpel schlaff am Mast herunterhängen und die Schiffer in der Koje schnarchen, dann – wie die Leute sagen – ›dühnt es auf‹. – Wer dann mit wachen Augen über Bord ins Wasser schaut, kann gewahren, wie Türme mit goldnen Gockelhähnen aus der grünen Dämmerung aufsteigen; vielleicht mag er sogar die Dächer der alten Häuser erkennen, und wie zwischen dem Seetang, der sie überstrickt hat, seltsam schwerfälliges Getier umherkriecht, oder zwischen den zackigen Giebeln in die Enge der Gasse hinabschauen, wo Muschelwerk und Bernstein die Tore der Häuser verbaut hat und der nie rastende Flut- und Ebbestrom mit den Schätzen versunkener Schiffe spielt. – Aber auch die Schiffer unter Deck erwachen und richten sich auf, denn unter sich aus der Tiefe hören sie es läuten; das sind die Glocken von Rungholt.« (aus: Eine Halligfahrt, von Theodor Storm)
(Contemporary picture of the Burchardi flood (Die erschreckliche Wasser-Fluth = „the terrible water flood“), 1634)
Und so werde dann auch ich heute wieder am Meer stehen und sagen: „Mein Gott, wat is de Welt doch grot; un et gifft ok noch en Holland!“ auch aus Storms Halligfahrt:
„Einst waren große Eichenwälder an unsrer Küste, und so dicht standen in ihnen die Bäume, daß ein Eichhörnchen meilenweit von Ast zu Ast springen konnte, ohne den Boden zu berühren. Es wird erzählt, daß bei Hochzeiten, welche durch den Wald zogen, die Braut ihre Krone habe vom Haupte nehmen müssen; so tief hing das Gezweig herab. In den Tagen des Hochsommers war unablässig Schattenkühle unter diesen Waldesdomen, die damals noch der Eber und der Luchs durchstreiften, indessen oben, nur von den Augen der revierenden Falken gesehen, ein Meer von Sonnenschein auf ihren Wipfeln flutete.
Aber diese Wälder sind längst gefallen; nur mitunter gräbt man aus schwarzen Moorgründen oder aus dem Schlamm der Watten noch eine versteinerte Wurzel, die uns Nachlebende ahnen läßt, wie mächtig einst im Kampfe mit den Nordweststürmen jene Laubkronen müssen gerauscht haben. Wenn wir jetzt auf unsern Deichen stehen, so blicken wir in die baumlose Ebene wie in eine Ewigkeit; und mit Recht sagte jene Halligbewohnerin, die von ihrem kleinen Eiland zum erstenmal hierherkam: »Mein Gott, wat is de Welt doch grot; un et gifft ok noch en Holland!«“
Was passendes zum Drachen, der die Sturmflut von Rungholt ausgelöst haben soll, hab ich auch noch, ich hatte dem Paten-Geburtstagskind von Björn am letzten Sonntag was witziges gehäkelt:
Einen Drachen als Lesezeichen, hihihi, als kleiner Junge liebte er Drachen und hatte auch auf der Schultüte einen, an den Schwanz des Drachens hab ich dann das (Geld)Geschenk gebunden. Und die Freude war groß!
Mimi wird es sich wieder allein zu Haus gemütlich machen, sie pennt schon leise schnarchend bei mir auf der Couch und läßt euch liebe Schnurrgrüße übermitteln, Bilder für sich hatte sie sich schon gestern nachmittags rausgesucht:
Schöner Sonnenuntergang in Richtung ihrer Hängematte am Wohnzimmerfenster
sie wird sich ihren Tag in und am Kratzbaum vertreiben, so wie hier
man beachte das Schwänzchen, hihihi!
Ein bissel wurde gestern mal Balkonien angeprobt, das Wetter sah doch so verlockend aus,
aber es war doch noch viel zu kalt und Mimi nach einer kleinen Weile doch wieder drin!
Und nun gibt es zum Schluß noch das Gedicht von Rungholt für die Ohren
und damit wünschen wir allen unseren Lesern ein wunderschönes Wochenende mit Sonne satt und Zeit zum entspannen und genießen!
Habts fein und bleibt oder werdet gesund! Eure Mimi und ich!